Im Nichts sieht man manchmal mehr

Der Blick auf den Parcours direkt neben der Kristallhütte ähnelt dem in meinem Kopf: etwas vernebelt. Gerade mal zwei der von einem leibhaftigen österreichischen Skiverbandsfunktionär gesteckten Tore sind hinter der Schranke des Zeitmessers zu erkennen, dahinter – ein Nichts aus Wolken. „Henkersabfahrten“ werden die letzten Ski-Trips zum Saisonende im April gerne genannt. Das passt.

Mein Start ist, nun ja, aus zeittaktischen Gründen eher verhalten. Eine mit grüner Lebensmittelfarbe gezogene Spur weist den Weg durch die roten und blauen Fahnen. Die Zuschauer am Start und den Dauersprech des gutgelaunten, dauersprechenden Startkommentators lasse ich hinter mir und tauche ein in die nebulöse Welt einer mir völlig unbekannten Rennstrecke. In der zügig gleitenden Hocke geht es nun voran, die Schultern wie bei den Profis an den Kurvenfahnen stets auf Tuchfühlung. Ab und an sehe ich im Nichts einen schemenhaften Streckenposten, sonst wenig.
Ob es das rote Phantom ist, dass aus dem Stochern im Nebel plötzlich ein ungemeines Wohlgefühl entsteht, dass mich noch während der Fahrt juchzen läßt? Ein Gefühl, irgendwie verloren gegangen zu sein und trotzdem in Watte verpackt. Ein Gefühl, als sei dieses heitere wie rätselhafte Rennen nur für mich veranstaltet – weil da ja sonst eh keiner ist. Ein Gefühl, mit Skiern einfach aus der Zeit gefahren zu sein. Raum gibt es in dem Wolkennebel sowieso nicht.
Auf der schwach grün leuchtenden Spur geht es nun in flottem Schuss und beharrlich hockend talwärts, immer auf der Suche nach dem nächsten Tor, aber ohne Ahnung vom Ziel. Eigentlich, so denke ich voll des staunenden Glücks, sollte es auf immer und ewig so weiter gehen. Eine Schussfahrt ohne Sicht, ohne Ziel, ohne Ende. Geborgen. Im Verborgenen.
Aber es geht weiter. Noch zwei Kurven, noch eine Gerade, die sich irgendwie anfühlt wie ein Anstieg und plötzlich tauchen da im Nichts zwei rote Fahnen auf und ein Motorschlitten und ein Menschenhaufen mit Zahlen auf Brust und Rücken. Also doch ein Ziel.

Schöne intressante Website, viel Erfolg.
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